Vollständige Vision: Mein "Utopia"

 

Der Kreis schließt sich: Meine Vision,

auf die alle meine Aktivitäten hinauslaufen

 

7.5.2015

 

Am 2. Mai bin ich in einen bestimmten Stadtteil von Köln gefahren, um dort Flyer für die Empathie-Schule in die Briefkästen zu werfen, die für Werbung aufgeschlossen waren. Ich stieg aus dem Auto aus, ging zum ersten Haus in dieser Straße und "fühlte", wie der Briefkasten meinen Flyer nicht wollte. Es war eine starke Bremse in meinem Gefühl. Anders kann ich es nicht beschreiben. Beim nächsten Briefkasten war es auch so. Nach einer kurzen Trauer entschied ich, mein Gefühl zu akzeptieren, durch die Straßen zu spazieren und zu beobachten, ob mein Gefühl überall so sei. Ich verteilte in dieser Stunde keinen einzigen Flyer - und erhielt gleichzeitig immer mehr Klarheit darüber, dass die allermeisten Menschen mit meinem Angebot einer Empathie-Schule wohl nicht wirklich etwas anfangen können. Es bestätigte sich in mir noch einmal das Gefühl, das ich bereits am 30.4. (Mein Schritt auf die nächste Ebene) aufschrieb.

Wieder zu Hause angekommen flossen erst einmal viele Tränen über den Unterschied meiner herausgearbeiteten Erkenntnisse, Sichtweisen und Trainings und der gegenwärtigen Gesellschaft, in der ich hier in Deutschland lebe. Viele "verarbeitende" Tränen. Ich verabschiedete mich endgültig von einem Bild, das ich seit meiner Kindheit mit mir herumtrug und das ich auf die gegenwärtige Gesellschaft projiziert hatte.

Am nächsten Morgen (3.5.) wachte ich traurig auf und fragte mich, wie ich jetzt weitermachen möchte. Meine innere Stimme antwortete sofort: "Konzentriere dich ganz stark auf dein Ziel."

Das versuchte ich, aber zunächst kam in mir die Reaktion: "Das macht doch keinen Sinn, weil die meisten Menschen dieses Ziel mit mir gar nicht teilen (können). Viele sehen keinen Sinn darin, über sich selbst zu reflektieren und sich selbst weiterzuentwickeln. Die meisten befinden sich in einer Komfortzone, an die sie sich gewöhnt haben."

Je länger ich mich auf mein Ziel konzentrierte, umso mehr verwandelte es sich von "Olaf lehrt die anderen bestimmte Zusammenhänge" in "Wir arbeiten alle zusammen mit den resonierenden Empfindungen und nutzen uns gegenseitig."

Ich schrieb in mein Tagebuch:

"Ja, meine Vision wird immer deutlicher: Wir nehmen gegenseitig unsere Gefühle ernst. Entweder es sind Resonanzen, die unserem Gegenüber etwas spiegeln, oder es sind eigene unverarbeitete Gefühle. Wir suchen immer gemeinsam: Wo ist das Ungleichgewicht? Und wie kann man es in ein besseres Gleichgewicht bewegen? Wer braucht gerade ein Happy End? Und für das Happy End demjenigen Nähe und Verständnis geben.
Auch für Ziele gilt das gleiche: Alle Ziele werden gegenseitig ernst genommen.  Und dann wird sortiert: Wer unterstützt wen bei seinem Ziel und wer verfolgt sein eigenes Ziel? Welche Reihenfolge? Sobald Konflikte auftauchen, werden wieder gegenseitig alle Gefühle ernst genommen und geschaut: Wo ist das erste und größte Ungleichgewicht? Wie sortieren wir es?
Immer gemeinsam eine Reihenfolge zwischen den Zielen und/oder zu lösenden Ungleichgewichten herstellen.
Und dort, wo um die Reihenfolge gekämpft wird? Da werden beide gleichzeitig ernst genommen und man versucht, mit Hilfe einer Aufstellung beides unter einen Hut zu bekommen. Dabei entscheidet jeder immer frei, ob er der Suche nach einer Lösung eines anderen zur Verfügung steht oder ob er sich um sich selbst kümmert – und jeder kann den anderen gehen lassen. Und wenn nicht, ist hier wieder klar: Da ist ein eigenes Ungleichgewicht, das sein Happy End sucht.
Das setzt voraus, dass sich jeder bewusst ist: "Für jedes Ziel und für jedes Ungleichgewicht, das ich fühle, bin ich immer eigenverantwortlich. Ob mir andere bei meinem Happy End helfen, ist IMMER ein Geschenk.
Hat mein Gegenüber sich vertraglich verpflichtet, kann ich versuchen, den Ausgleich für seinen Vertragsbruch einzufordern. Aber auch hier ist das Verhalten des anderen immer nur ein Geschenk.
"
„Geschenk“ steht ganz oben.
Und wenn jemand eine andere Reihenfolge „sieht“, dann kann ich verstehen, dass derjenige voller Verlustschmerz um „sein Recht“ kämpft. Und auch hier kann ich entscheiden, ob ich ihm für sein Ziel zur Verfügung stehe oder nicht.
Wir erleben Geschenke und wir erleben Verluste.
Wenn man jetzt noch jeden Verlust als Geschenk umdeuten kann, ist es perfekt. Dann erleben wir nur noch Geschenke – und die Folge ist dann logisch: Dankbarkeit für das Leben.

Dort, wo die Ziele/Ungleichgewichte unterschiedlich sind und gegenseitig behindern, muss man eine klare Unterscheidung, eine klare Trennung erschaffen, die möglichst beiden Seiten gerecht wird – immer mit Blick auf die Eigenverantwortlichkeit von allen Beteiligten."

Soweit mein Tagebuchauszug.

 

Auf einmal fühlte ich mich enorm kraftvoll, denn diese Vision war äußerst stimmig für mich. Ich habe sie auch schon ansatzweise bei meiner Mission beschrieben, aber jetzt wurde sie noch umfassender und klarer.

Als ich am nächsten Tag diese Vision sortierte und sie auf eine PowerPointPräsentations-Folie schrieb, die ich am Abend für meinen Einführungsvortrag für die Empathie-Schule verwenden wollte, ergab sich folgende Zusammenfassung:

 

Meine Vision für das empathische Zusammenleben einer Gemeinschaft = mein "Utopia":

 

Diese Vision kann man auf eine große Gesellschaft übertragen - oder auf eine kleinere Gemeinschaft - oder auf eine Gruppe, die für eine kurze Zeit zusammenlebt oder zusammenarbeitet - oder auf sich selbst, auf seine eigenen inneren verschiedenen Anteile.

 

1. Jeder sieht sich selbst als eigenverantwortlich (Jeder ist der Chef für den eigenen Umgang mit seinem Leben).

 

2. Ernstnehmen der (Ungleichgewichts-)Gefühle und Ziele von allen (Alles gehört dazu).


3. Rangfolge unter allen Zielen herstellen - durch Einigung (miteinander absprechen, auslosen, ...), durch Schicksal, durch starken Schmerz (der stärkste Schmerz erhält den höchsten Rang - ist z. B. jemand in Todesgefahr, dann kümmern sich alle um denjenigen, er bekommt also - meistens - Vorrang).

 

4. Ist keine Rangfolge möglich, sondern streiten sich die Ziele weiterhin um den Vorrang, dann ist hier die Lösung entweder die Gleichzeitigkeit (Ziele werden gleichzeitig erfüllt), die klare Unterscheidung zwischen den Zielen oder die Trennung der Ziele / Inhaber der Ziele. Die Trennung ist im Grunde auch eine Art von "Einigung".

Ist selbst diese Einigung über eine Trennung nicht möglich, dann entsteht ein Kriegszustand, in der jeder den anderen von den eigenen Zielen überzeugen möchte. Hier wäre es angebracht, wieder bei Punkt 1 zu beginnen und sich bewusst zu machen, dass man in allererster Linie für seine Ziele und ihre Erfüllung eigenverantwortlich ist - und auch für den eigenen inneren Umgang damit, wenn man von seinem Ziel loslassen muss, weil das Umfeld sich nicht zur Verfügung stellt.

 

5. Autonomie: Der durch die Rangfolge bestimmte Chef entscheidet autonom, wie er es braucht / die anderen entscheiden autonom, ob und wie sie mitmachen, helfen, unterstützen (= Geschenk an den Chef).

 

6. Auf diese Weise suchen alle Mitmachenden gemeinsam nach einem Happy End für den aktuellen "Chef" (Zielerreichung, Wunscherfüllung, Erreichung eines besseren Gleichgewichts).

 

7. Ist das Happy End erreicht oder tauchen während dieser gemeinsamen Suche Konflikte auf, beginnt alles wieder bei Nummer 1. (s.o.)

 

 

In unserer gegenwärtigen Gesellschaft gibt es viele Menschen, die es schwer haben, sich für ihr Leben als eigenverantwortlich zu sehen - besonders, wenn sie anderen Menschen die Schuld an etwas geben und gegen sie zu kämpfen beginnen - oder seit Jahren innerlich gegen sie kämpfen, wenn sie sich von anderen Menschen ausgenutzt gefühlt haben.

Oft werden auch Gefühle und Ziele anderer Menschen nicht ernst genommen, sondern abgewertet oder als minderwertig kommuniziert - besonders wenn sie den eigenen Zielen nicht entsprechen.

Auch das Absprechen und Herstellen von Rangfolgen (wer bekommt zuerst die Aufmerksamkeit und Hilfe, die er sich wünscht?) wird meistens vergessen.

Entweder die Rangfolgen entstehen ganz von selbst, weil einfach einer nachgibt und sich dem anderen zur Verfügung stellt, oder es wird gestritten und gekämpft (offen oder hinter der Hand) - ohne Eigenverantwortung (also ohne Reflektion über sich selbst), ohne ein Ernstnehmen des anderen und ohne das Bewusstsein, dass gerade um Rangfolgen gerungen wird.

 

Nachdem ich die PPP-Folie für meinen Vortrag fertiggestellt hatte und mir diese Zusammenfassung der sieben Punkte noch einmal ansah, erkannte ich auf einmal: Das entspricht genau den Regeln, die ich in den letzten 12 Jahren für die Freien Systemischen Aufstellungen entwickelt hatte. Der Kreis schließt sich. Das, was wir schon jahrelang erfolgreich beim Freien Aufstellen leben, habe ich nun auf unsere Gesellschaft übertragen - unabsichtlich! Über einen anderen Weg bin ich wieder auf genau die gleichen Regeln gestoßen, die ich bereits entwickelt hatte.

Dadurch durfte ich noch einmal bewusster wahrnehmen, welche Vision meine Seele hat.

Diese Erkenntnis hat mir nun einen zusätzlichen kraftvollen Schub gegeben und ich weiß: Es wird genauso weitergehen. Da will ich hin - egal wann und egal mit wem. Das ist meine Lebensvision. Und die werde ich auf alle möglichen Weisen meinen Mitmenschen zur Verfügung stellen und sie dazu einladen, mitzumachen.

 

Ich bin gespannt, was in den nächsten Monaten und Jahren wachsen wird. Das ist mein Weg.

 

 

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© Copyright 2015 Olaf Jacobsen

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